Anja Renfordt, seit Sie anderthalb Jahre alt sind, haben Sie Diabetes. Welche Rolle spielt die Krankheit in ihrem Leben?

Diabetes ist mein steter Begleiter. Ich habe meine sportlichen Erfolge nicht trotz, sondern mit dem Diabetes errungen. Die Krankheit schafft mir meine Lebensbedingungen. Mir ist klar, dass ich sterbenskrank bin. Doch mein Diabetes ist eine Krankheit, auf die ich Einfluss nehmen kann. Ich kann mich informieren, sie steuern. Das kann man bei anderen Krankheiten nicht …

Das klingt, als wären Sie froh?

Natürlich wäre ich lieber gesund! Doch es steht nirgendwo geschrieben, dass jeder das Recht hat, gesund zu sterben. Wäre ich gesund, ginge das Leben auch vorbei. Ich könnte jammern – doch das kostet Energie. Dafür ist mir mein Leben zu schade. Der Diabetes, der Umgang mit ihm, ist selbstverständlich wie Händewaschen. Ich habe die Krankheit verinnerlicht.

Könnte jeder Diabetes-Kranke eine Sportskarriere hinlegen wie Sie?

(lacht) Das könnte ja nicht mal jeder Gesunde! Ich habe das geschafft, weil ich das wollte. Mit und nicht trotz der Krankheit im Team.

Welche Rolle spielten Ihre Eltern in Ihrem Leben mit Diabetes?

Ich hatte mit meinen Eltern ein riesen Glück. Sie haben in mir nie Angst aufkommen lassen oder Verzweiflung. Ich merkte zwar schon sehr früh, dass der richtige Umgang mit dem Diabetes sehr wichtig war – aber das warʹs dann auch. Meine Welt war dank meiner Eltern in Ordnung.

Dabei gab es anfangs noch nicht mal Blutzuckermessgeräte für Zuhause …?

Unvorstellbar, nicht wahr? Als ich meine Mutter danach fragte, wie sie das überhaupt bewerkstelligt hat, winkte sie nur ab: „Frag nicht!“. Ich wurde in der Kinderklinik eingestellt (normnahe Blutzuckereinstellung – Anmerkung d. Redaktion) und bekam einen strengen Ernährungsplan mit nach Hause. Der galt jeden Tag, egal, ob Wochentag oder Wochenende, Schultag oder Ferientag.

Das heißt, Ihre Eltern haben zu der Zeit gar keine Blutzuckerwerte bei Ihnen messen können?

Nein, dazu gingen sie mit mir regelmäßig zum Kinderarzt.

Wann bekamen Sie Ihr erstes Blutzuckermessgerät?

Als ich sechs war.

Erinnern Sie sich daran, wie es aussah und was es Ihnen bedeutete?

Und ob! (lacht) Es war groß, schwer und steckte in einem Koffer. Dennoch trug ich es immer bei mir, denn ich war stolz darauf. Es lieferte nach zwei Minuten Messwerte. Allerdings musste der Blutstropfen dafür recht groß sein.

Was war der nächste Meilenstein im Leben mit dem Diabetes?

Mit der Entwicklung der Insulin-analoga, die schneller wirkten, konnten die Spritz-Essabstände größer werden. Außerdem durfte ich essen wann, und wie viel ich wollte. Das bedeutete mehr Flexibilität. Dann durfte ich Haushaltszucker essen, eine Sache, der meine Eltern zunächst skeptisch begegneten.

Inzwischen sind Sie auf den Hund gekommen? Candy ist ein ganz besonderes Tier?

Candy ist ein ausgebildeter Diabetikerwarnhund (Diabdog). Sie erkennt an meinem Körpergeruch, wenn mein Blutzuckerspiegel absinkt und ich unterzuckert bin. In diesem Fall stupst sie mich ans Knie, wenn ich sie nicht belohne, bringt sie mir unaufgefordert mein Messgerät und ich muss handeln. Wir sind inzwischen ein gutes Dreiergespann: mein Diabetes, Candy und ich.