Sie sind nicht nur Diabetologe, sondern auch selbst Diabetiker. Wie hilft Ihnen diese wechselseitige Perspektive im Beruf?

Als ich mit 14 Jahren die Diagnose Diabetes bekommen habe, begann man gerade damit, die Patienten aktiv in die Therapiegestaltung mit einzubeziehen, Schulungen wurden erstmals den Betroffenen und Ihren Angehörigen angeboten. Dieser damals neue Zugang in der  Betreuung  chronisch kranker Menschen war sicher mit ein Motivationspunkt  Medizin zu studieren und dies zu meinem Beruf zu machen. Ich sehe es als einen Kernaspekt meiner Tätigkeit, die Patienten aktiv in die Gestaltung ihrer Therapie einzubinden. Es gilt, ein Bewusstsein dafür zu bilden, dass Diabetes kein unlösbares, oder überhaupt ein Problem ist, sondern dass man mit Diabetes auch sehr gut leben kann. Ich bin der festen Überzeugung, dass Diabetiker, die sich mit der Krankheit bewusst auseinander setzen, einen positiven Nutzen aus dieser Auseinandersetzung ziehen können.

Was braucht es denn für diese Auseinandersetzung?

Dafür braucht es nicht nur einen Patienten, der gewillt ist dieses Bewusstsein zu entwickeln, sondern auch ein Team. Dieses  passt die Diabetes-Therapie  an die individuellen Lebensumstände  jedes Betroffenen an, wobei der Patient/ die Patientin sich so gut es geht aktiv einbringen sollte. Ein Diabetesberater/eine -beraterin , welche noch einmal vertiefend auf die Ernährungs- und die Bewegungsthematik eingeht wäre in diesem Zusammenhang von größtem Vorteil  Eine Diabetesbehandlung ist nie eine One-Woman- oder eine One-Man-Show, sondern immer Teamwork und beinhaltet ein gemeinsames Gehen des Weges.

Was ist wichtig zu beachten, wenn man gerade erfahren hat, dass man Diabetiker ist?

Wenn man mit der Diagnose Diabetes konfrontiert wird, sollte man wissen, dass es nur in den seltensten Fällen ein akutes  Problem ist, sondern vielmehr ein Thema, das einen das restliche Leben begleiten wird. Dazu müssen Spielregeln erlernt werden, wie im Alltag mit dieser Krankheit umzugehen ist. Das Erlernen dieser Spielregeln wollen wir als Ärztinnen und Ärzte dem Patienten mitgeben.

Was sind das für Spielregeln?

Diese sind einfach und schwierig : Wie gestalte ich eine bewusste Ernährung ?  Wie mache ich bewusst  mehr Bewegung , im Rahmen meiner Therapie und meiner Möglichkeiten. Wir müssen versuchen, den Patienten dort abzuholen, wo er steht , ihm aber auch neue Impulse geben. Vor allem die regelmässige Bewegung ist ein sehr entscheidender Faktor. Ich war selbst lange ein Bewegungsmuffel – jetzt versuche ich drei Mal die Woche Sport zu treiben. Man sollte es  aktiv in seinen Wochenplan einbauen. Und dann ist da die Frage, welche medikamentöse Unterstützung wir dem Patienten anbieten können und wie sich diese im Laufe der Erkrankung verändert.

Wie werden diese Veränderungen erkannt?

Das sollt man differenziert betrachten. Zum einen muss beachtet werden, in welchem medikamentösen Therapiestadium  der Patient steht. Erhält er eine komplexe Insulintherapie, dann sind die Selbstkontrollmechanismen ebenfalls komplexer aufgestellt. Dann werden  ausführliche Tagesprofile gemacht, bei einfachen z.B. auch rein Tabletten assoziierten Schemata reicht ein Tagesprofil/Woche ergänzt durch punktuelle Messungen bei „ Sondersituationen“ . Für Patientienten, die ihre Therapie „sehr“ individuell gestalten, ist die kontinuierliche Glukosemessung ein optimales neues  Device. Für kapillare  Blutzuckermessung  (vom Finger)  stehen  heute eine Vielzahl von kleinen handlichen Geräten zu Verfügung .

 Bei Diabetes Typ 2 sollten unsere PatientINNen allerdings das glukosezentrierte Weltbild verlassen und vor allem auch die Blutfette besonders die Subgruppen LDL und HDL Cholesterin und Ihren  Blutdruck ins Auge fassen und zur Besprechung im Team dokumentieren.