Was versteht man eigentlich unter Antikoagulation?

Antikoagulation ist eine gerinnungshemmende Therapie, die dazu führt, dass sich weniger Thromben bilden können, also die Gerinnselbildung gehemmt wird. Das betrifft sowohl das venöse System, etwa in den tiefen Beinvenen oder, was das Vorhofflimmern betrifft, in den Herzhöhlen. Dadurch wird verhindert, dass sich Gerinnsel bilden, aber auch, dass sie embolisch in andere Körperteile verschleppt werden können – im schlimmsten Fall ins Gehirn, wo sie ein Gefäß verstopfen könnten, was dann zum Schlaganfall führen würde.

Welche Indikationen führen zu dieser Therapie?

Es trifft oft Personen mit einer Beinvenenthrombose, also Thrombosen in den tiefen Venen, die auch zur Lungenembolie führen können. Die andere Indikation ist eben das Vorhofflimmern. Das sind PatientInnen, die einen unregelmäßigen Herzschlag haben, was zum Schlaganfall führen kann.

Wer kann davon besonders betroffen sein? Gibt es Risikogruppen?

Vorhofflimmern ist die häufigste Herzrhythmusstörung überhaupt und ist alterskorreliert. Das bedeutet, je älter die Menschen werden, desto häufiger finden wir Vorhofflimmern – zehn bis zwanzig Prozent der Menschen über 80 leiden darunter. Man kommt oft zufällig im Rahmen anderer Untersuchungen drauf, weil es nicht alle PatientInnen spüren.

Nach welchen Kriterien wird die Therapie ausgewählt?

Man muss das Risikoprofil betrachten, das das Auftreten eines Schlaganfalls begünstigt. Es gibt bestimmte Risikofaktoren, die mit Verhofflimmern verbunden sind. Da gehen wir nach einem erprobten Risikoscore vor. Wenn mindestens zwei Risikofaktoren vorhanden sind, besteht eindeutig die Notwendigkeit, eine Therapie einzuleiten.

Zu diesen Faktoren zählen Bluthochdruck, Zuckerkrankheit, Alter, Herzmuskelschwäche oder auch frühere Schlaganfälle. Je mehr dieser Risikofaktoren zusammenkommen, desto höher ist das Risiko eines Schlaganfalles, dementsprechend nötiger ist die Therapie. Als Beispiel: Aus diversen Studien wissen wir, dass jemand, der fünf Faktoren auf sich vereinigt, ein jährliches Schlaganfallrisiko von 15 Prozent hat. Das kann durch die Therapie mehr als halbiert werden.

Wie sieht nun die Therapie aus?

Die klassische gerinnungshemmende Therapie sind Vitamin-K-Antagonisten. Die greifen an einer bestimmten Stelle der Gerinnung ein und hemmen Vitamin-K-abhängige Gerinnungsfaktoren. Das sind Präparate, die es seit gut 50 Jahren gibt und die gut erprobt sind. Seit etwa fünf Jahren gibt es dazu nun Alternativen, die sogenannten direkten oralen Antikoagulantien, kurz DOAKs.

Die greifen an anderen Stellen der Gerinnungskaskade ein. Der Unterschied für den Patienten liegt darin, dass die Vitamin-K-Antagonisten Blutabnahmen benötigen, nach deren Analyse die Dosis des Medikaments eingestellt wird, also je nach Blutwert, was bedeutet, dass der Patient regelmäßig Messungen vornehmen lassen muss. Bei den DOAKs ist das nicht mehr nötig.

Diese Tabletten werden eingenommen und wirken sofort. Man muss sich nicht mehr nach einem potenziell variierenden Gerinnungswert richten, sondern nimmt eine fixe Dosis ein. Allerdings muss dabei dann mindestens ein Mal jährlich die Nierenfunktion überprüft werden.

Kritiker verweisen oft auf die für das Gesundheitssystem höheren Kosten der DOAKs. Wie sehen Sie das?

Es stimmt: Neue Medikamente kosten in den ersten Jahren nach der Entwicklung natürlich mehr als althergebrachte. Das ist auch bei den DOAKs der Fall. Daher müssen sie ja auch chefärztlich genehmigt werden, damit die Notwendigkeit gesichert ist. Die älteren Präparate kosten natürlich weniger.

Allerdings müsste man, um Kostenwahrheit zu erhalten, auch die Nebenkosten wie regelmäßigen Arztbesuche und Laborkontrollen einbeziehen, die bei den DOAKs nicht mehr so nötig sind. Der deutliche Vorteil der DOAKs liegt in der Verhinderung schwerer Hirnblutungen – auch das sollte man dabei nicht vergessen, denn hier werden Folgekosten verhindert.