Prim. Univ.-Prof. Dr. Franz Weidinger
Vorstand der 2. Med. Abteilung, Krankenanstalt Rudolfstiftung, Präsident der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft

Der Lebenswandel in der westlichen Welt befördert solche Erkrankungen geradezu, so Univ. Prof. Dr. Franz Weidinger von der Krankenanstalt Rudolfstiftung in Wien.

Warum stehen Herz- und Kreislauferkrankungen an der Spitze der Volkskrankheiten?

Herz- und Kreislauferkrankungen sind so häufig, weil die Risikofaktoren in den westlichen Gesellschaften zahlreich anzutreffen sind. Hoher Cholesterinwert, hoher Blutdruck, Rauchen, Übergewicht, Diabetes, Bewegungsmangel. Das sind alles Dinge, die in unseren Ländern heute sehr weit verbreitet sind. Die Bevölkerung wird aber auch älter, denn die Behandlungserfolge haben zu einer Zunahme der Lebenserwartung geführt. Dass Herz-Kreislauf-Erkrankungen aber auch mit dem Alter, teilweise aufgrund des natürlichen Alterungsprozesses am Gefäß-System zunehmen, trägt zur anhaltenden Häufigkeit dieser Erkrankungen bei.

Ganz wichtig ist der Faktor des Rauchens. Es gibt zwar einen statistisch fassbaren Rückgang der Rauchgewohnheiten. Dennoch ist es eine bekannte und in vielen Studien belegte Tatsache, dass vor allem junge Frauen mehr rauchen als früher, was auch bedingt, dass Frauen in jüngerem Alter und häufiger einen Herzinfarkt erleiden als zuvor. Die Frauen holen hier auf, während die Quote bei den Männern zurückgeht. Auch bei Übergewicht, Stress, schlechter Ernährung und Bewegungsmangel haben die Frauen zugelegt.

Das heißt, die Herz- und Kreislauferkrankungen sind auch Wohlstandsprobleme?

Global gesehen sterben heutzutage viel weniger Menschen an ansteckenden Krankheiten, da diese besser behandelt werden. Aber es kommen immer mehr nicht ansteckende Krankheiten dazu. Auch die Schwellenländer holen enorm auf, wo der westliche Lebensstil beginnt, Einzug zu halten. In Kriegszeiten, wo die Menschen eher unterernährt waren, gab es beispielsweise kein Übergewicht und deutlich weniger Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Heute neigen auch ärmere Bevölkerungsschichten eher zu Übergewicht, weil sie sich ungesund ernähren und Bewegungsmangel weit verbreitet ist.

Wie werden diese Erkrankungen behandelt?

Wir kontrollieren bei der ärztlichen Untersuchung die kardialen Risikofaktoren wie den Blutdruck oder auch den Cholesterinspiegel. Wenn man etwas bei einem jüngeren Menschen feststellt, dann sollte als erstes der Lebensstil korrigiert werden. Dazu zählt eine Gewichtsreduktion und die richtige Ernährung: die Umstellung auf mehr Obst, Gemüse und Fisch und weniger Salzkonsum. Auch regelmäßiger Sport, z.B. fünf Mal die Woche für mindestens eine halbe Stunde, ist zu empfehlen. Wenn die Krankheit fortgeschrittener ist, muss mit Medikamenten behandelt oder verengte Gefäße gedehnt und mit sogenannten Stents versorgt werden.

Warum ist es wichtig, die medikamentöse Behandlung genau einzuhalten?

Die Therapietreue, die Adhärenz, ist ein wichtiger Punkt. Der Patient soll die empfohlenen Medikamente auch wirklich einnehmen. Wir wissen, dass das häufig nicht eingehalten wird. Es ist meisten so, dass mehrere Tabletten eingenommen werden müssen. Doch je mehr Tabletten Sie jemandem verschreiben, desto kleiner die Chance, dass die Patienten diese auch wirklich so einnehmen. Die Folgen können Schlaganfall, Herzmuskelschwäche oder Herzinfarkt sein, die durchaus auch zum Tod führen können.

Wie sind die Behandlungserfolge?

Der Herzinfarkt kann heute wesentlich besser behandelt und seine Schäden für den Herzmuskel verringert werden. Gewisse Formen des Herzinfarkts haben auch abgenommen, während andere, die eher mit zunehmendem Alter und Begleiterkrankungen wie etwa Zucker verbunden sind, eher zunehmen. Auch die Herzmuskelschwäche nimmt insgesamt eher zu, ein Grund dafür ist aber das generelle Älterwerden der Bevölkerung. Ein Teil der Fortschritte, die wir machen, werden wettgemacht durch den ungesunden Lebensstil. Auch der Bluthochdruck ist ein Risikofaktor, der sehr weit verbreitet ist und sowohl den Herzinfarkt als auch die Herzinsuffizienz begünstigt.