In den letzten Jahren haben Wissenschaftler aber auch die Epigenetik als immer wichtigeren Faktor wahrgenommen. Epigenetik bedeutet, dass sich die Aktivität von Genen ändert, ohne die DNA-Sequenz zu ändern. In der Praxis sieht man, dass der Körper äußere Umweltfaktoren wie Nahrungsangebot, Temperatur, Stress oder auch Gifte wahrnehmen kann, sich daran anpasst und diese adaptiven Informationen an seine Nachkommen weitergibt.

Dies geschieht ohne aufwendige Änderung der DNA-Nukleotide, sondern schneller über kleine RNA-Moleküle oder Methylierungen der DNA-Kette, die über die Keimzellen (Spermien, Eizelle) oder die Samenflüssigkeit, Informationen an die Nachkommen weitergeben können.

Ein einfaches Beispiel:

Lebt jemand in einer kalten Umgebung mit wenig Nahrung, werden sich die Kinder auch leichter an solch eine Umgebung anpassen. Der Körper kann die Kälte besser vertragen, passt seinen Stoffwechsel dem Nahrungsangebot an und speichert mehr Energie für schlechtere Tage.

Das Problem der heutigen Zeit besteht dann, wenn sich die Umgebung zu einem größeren Nahrungsangebot ändert. In solchen Zeiten ist der Körper immer noch auf den Befehl „Energie speichern“ programmiert, was in Folge zu einem Energieüberschuss und somit zu Übergewicht führen kann.

Ein solches historisches Beispiel zeigte sich an der niederländischen Hungersnot im Winter 1944/45, als aufgrund des Zweiten Weltkrieges 4,5 Millionen Holländer mit nur 500 kcal/Tag überleben mussten. Noch heute sieht man an den Kindern und Enkelkindern von damals schwangeren Frauen, dass diese ein erhöhtes Risiko haben an Typ-2-Diabetes zu erkranken, da solche "Hunger-Informationen" an die Nachfahren epigenetisch vererbt wurden.

Folgen und Risiken

In den letzten Jahren haben epidemiologische Studien gezeigt, dass Kinder von Schichtarbeitern ein erhöhtes Risiko haben an Typ-2-Diabetes zu erkranken. Auch hierfür liefert die Epigenetik die Erklärung: Durch die Schichtarbeit der Eltern wird die menschliche innere Uhr so gestört, dass in Folge vermehrt Stressfaktoren im Körper freigesetzt werden.

Diese Stressinformationen werden dann wiederum an die Kinder weitergegeben und können zu negativen Folgen im Stoffwechsel, bis hin zu Typ-2-Diabetes führen. 

Heißt das jetzt, dass jeder, der an Übergewicht leidet, seinen Eltern die Schuld geben kann? Nein. Allerdings liefern Forscher immer mehr wissenschaftliche Beweise, dass die Lebensweise unserer Eltern, uns schon bei der Geburt einen gewissen Startvorteil oder Startnachteil für das weitere Leben mitgeben kann.