Sie laufen seit 30 Jahren und haben vor ebenfalls fast 30 Jahren den Österreichischen Frauenlauf gegründet: Nehmen Sie Ihr Leben im Lauf?

Nicht ganz! (lacht) Aber das Laufen ist ein wesentlicher Bestandteil meines Lebens. Ich würde sagen: Mein Leben dreht sich ums Laufen.

Wie kamen Sie zum Laufen?

Ich habe mit Ende 20 recht unsportlich gelebt. Ich war weder fit, noch sonderlich belastbar und spürte, meinen Lebensstil ändern zu müssen. Als ich 1986 meinen Freund bei seinem Marathon begleitete, beschloss ich, auch zu laufen. Ich setzte mir im März das Ziel, im November am weltgrößten Marathon in New York teilzunehmen.

Haben Sie Ihr Ziel erreicht?

Ja. Nach 3 Stunden und 41 Minuten.

Und dann sind Sie einfach weiter gelaufen?

Ich hatte inzwischen meine Leidenschaft für das Laufen entdeckt! Und die bewegt mich im wahrsten Sinne des Wortes bis heute.

Verraten Sie uns, wie alt Sie sind?

Ich bin 59.

Wie schaut Ihr Laufpensum heuer aus?

Wenn ich nicht auf ein Ziel - hin trainiere, laufe ich drei Mal die Woche. Ich rate den Läuferinnen immer: Einmal ist besser als keinmal, zweimal besser als einmal und drei Mal ist das Optimum. Ich selbst laufe einmal unter der Woche, einmal am Wochenende. Mittwochs abends trainiere ich mit Läuferinnen im Rahmen unseres Frauenlauftrainings im Wiener Prater.

Wann, wo und wie lange laufen Sie?

Mein Laufgebiet ist der Wiener Prater. Dort laufe ich meist frühmorgens, eine Stunde etwa. Da schaffe ich so an die zehn Kilometer.

Was gibt Ihnen das Laufen?

Die Gelegenheit, etwas für mich zu tun. Für Körper und Seele. Wenn ich alleine laufe, kann ich dabei wunderbar denken. Eine Zeitlang hatte ich immer Zettel und Stift dabei, um aufkeimende Ideen zu notieren. Heute nehme ich das Handy dafür …

Apropos Handy: Hören Sie Musik beim Laufen?

Nie! Ich genieße die Natur pur, nehme den erwachenden Tag mit allen Sinnen auf. Ich erfreue mich an der Stille.

Können Sie sich Ihr Leben ohne das Laufen vorstellen?

Nein. Ich hoffe, dass ich immer einen Weg finden werde, um zu laufen. Zumindest, um mich zu bewegen. Ich glaube, dass, wer den Körper bewegt, auch geistig bewegtlich bleibt.

Dann ist Laufen ein Mittel, um fit alt zu werden?

Sicherlich.

Hält Laufen gesund?

Bewegung ist gesund. Frische Luft ist gesund. Laufen ist Bewegung an der frischen Luft. Das kann nur gesund sein -. Beim Laufen bekomme ich die Chance, meinen Körper zu erleben, seine Signale zu spüren. Die Entscheidung, wie ich darauf eingehe, wie viel ich für meinen Körper tun möchte, welche Leistung ich ihm abfordere, fälle ich. Und jeder andere Läufer für sich.

Kann Laufen auch gesund machen?

Aus Erfahrung kann ich das nur bejahen. Bewegung fördert in vielen Fällen Genesungsprozesse.

Ist das Laufen für jeden was?

Loslaufen kann jeder. Sei es die sportliche Herausforderung, das Mehr an Bewegung, das Abschalten vom Alltag – es gibt für jeden gute Gründe, loszulaufen.

Was raten Sie AnfängerInnen zum Start?

Laufen Sie einfach los! Entdecken Sie den Spaß am Laufen und genießen Sie ihn! Und bitte, stecken Sie sich anfangs realistische Ziele!

Die da wären?

Bei unseren Lauftrainings beginnen wir mit halbstündigen Laufeinheiten, bei denen die Läuferinnen erstmal eine Minute laufen, dann zwei Minuten gehen. Das Ganze wiederholen wir im Wechsel. In der Woche darauf steigern wir das Pensum: Dann werden zwei Minuten am Stück gelaufen und nur eine Minute gegangen. Ein solcher Laufstart ist sanft – er bringt einen dennoch buchstäblich Schritt für Schritt zum Ziel, welches auch immer jeder Läufer für sich definiert hat.

Wie kamen Sie darauf, den Österreichischen Frauenlauf zu initiieren und die Frauen zum Laufen zu bewegen?

Ich brachte die Idee von meinem ersten Marathon in New York mit. Damals gab es hierzulande kaum Läuferinnen. Ganz zu schweigen von den passenden Laufschuhen. Ein einziges Modell konnte man kaufen – in allen Größen! Aber das nur nebenbei. Ich habe eigentlich nur meine persönliche Faszination am Laufen geteilt. Das tue ich bis heute nach dem Motto: „Man kann nur Leidenschaft in anderen zünden, wenn sie in einem selbst brennt.“ Ich wollte und will, dass Frauen erleben, was Laufen für sie tun kann.

1988 starteten 440 Frauen beim 1. Österreichischen Frauenlauf, vor wenigen Wochen, beim 29., waren es 33.000. Was ist das für ein Gefühl?

Ich bin stolz. Für mich sind das 33.000 Frauen aus 99 Nationen mit ihren persönlichen Geschichten, ihrer ureigenen Motivation, die das Laufen für sich entdeckt haben.

Welcher Art sind die Rückmeldungen von den Läuferinnen?

Aktuell stapelt sich noch die Post in meiner Mailbox. Der Lauf ist ja gerade mal zwei Wochen her! Da sind sicher an die hundert teils sehr persönlichen Nachrichten, in denen die Frauen Dank sagen oder einfach schildern, warum sie mitgelaufen sind, und was der Lauf ihnen gibt.

Warum laufen die Frauen mit Ihnen?

Vielen geht es um den Sport, die Herausforderung und den Spaß, den er bringt. Es geht auch um die Gemeinschaft, die sich während unserer Trainings entwickelt. Einige wollen gezielt abnehmen. Meine inzwischen liebe Freundin Grete kam mit Übergewicht zum Lauftraining, sie hatte mich am Vortag gehört, als ich erklärte, jeder könne mit unserem 12-wöchigen Lauftraining am Österreichischen Frauenlauf teilnehmen. „Da bin ich!“ sagte sie und lief los. Heute wiegt Grete 40 Kilo weniger und trainiert selbst andere Frauen. Hätte ich ihr das an ihrem ersten Trainingstag prophezeit, hätte sie mich sicher für verrückt erklärt!

Sie haben die Leidenschaft längst zum Beruf gemacht, stimmt’s?

Das Laufen hat mich selbständig gemacht. Im Wesen und im Beruf. Ich habe mich 2005 nach 27 Jahren als Lehrerin komplett auf die Organisation des Frauenlaufseingelassen und den Österreichischen Frauenlauf auch zu meinem Vollzeit-Job gemacht. Heute haben wir sieben VollzeitmitarbeiterInnen die das ganze Jahr an der Weiterentwicklung und Umsetzung des Österreichischen Frauenlaufs arbeiten.

Ilse Dippmann, vielen Dank für diesen Interviewlauf!